Das Trio Pulsar: Beate Wein, Matyas Wolter und Aaron Christ (v.l.), ist am
2. Februar in der Mühle Otelfingen zu Gast. Bild: Der bumme Lux
26.01.2024 00:00
Eintauchen in neue musikalische Welten – erstmals in der Schweiz
Mit der aussergewöhnlichen Kombination von Sitar, Klavier und Schlagzeug schickt das 2007 in Potsdam gegründete Pulsar Trio sein Publikum am 2. Februar in der Mühle Otelfingen auf eine faszinierende Klangreise. ¶
Deutschland/Otelfingen. Fragt man Matyas Wolter, welchem Genre sich die Musik des Pulsar Trios zuordnen lässt, fällt ihm der von anderen oft verwendete Begriff «World Jazz» dazu ein. Treffender sei jedoch eine andere Beschreibung, erklärt er im Skype-Interview: «Wir sind drei verschiedene Charaktere, die ihre musikalische Eigenheiten mitbringen und versuchen, diese so organisch wie möglich zu verbinden – das Ergebnis ist das Pulsar Trio.» So seien auch nicht «Jazz-Nerds» das Zielpublikum, sondern alle Leute, die Lust haben, etwas Neues zu entdecken und in musikalische Welten eintauchen möchten. Wer solch eine faszinierende Klangreise nicht verpassen möchte, sollte sich den 2. Februar notieren: Der Auftritt in der Mühle Otelfingen ist das erste und bislang einzige Schweizer Konzert der 2007 in Potsdam gegründeten Band, bestehend aus Beate Wein am Klavier, dem Schlagzeuger Aaron Christ und dem Sitar-Virtuosen Matyas Wolter.
Die Kombination der Instrumente ist aussergewöhnlich und gibt es so kaum ein zweites Mal. Eine gemeinsame Sprache zu finden, sei bei der Gegensätzlichkeit von Sitar und Klavier kein leichtes Unterfangen: «Es bleibt nur ein schmaler Grat auf dem man wandeln kann, um sinnvoll Musik zu entwickeln», ist Wolter überzeugt. Die Sitar, eine in der klassischen indischen Musik beheimatete Langhalslaute, komme aus einem komplett anderen Kulturkreis und sei mit ihrem charakteristischen obertonreichen, singenden Klang als Soloinstrument konzipiert, man könne nur Melodien darauf spielen, keine grossen Harmonien, Akkordwechsel nur minimal. «Vieles, was Standard ist, wenn westliche Instrumente aufeinandertreffen, funktioniert nur eingeschränkt.»
Umso spannender und überraschender ist das, was durch die die aussergewöhnliche Besetzung erst möglich wird – eigenwillig-eingängige Kompositionen, ein neuartiges, pulsierendes Klanguniversum: «Immer ist das Resultat verspielt und virtuos, zwischen instrumentaler Ekstase, intimer Introspektion und feinfühligen Klangexperimenten», verspricht der Pressetext. An «sinnliche Schwebezustände, den Rausch freien Falls und das Dahingleiten über weite Flächen» fühlt sich Deutschlandfunk Kultur von der Musik des Pulsar Trios erinnert.
Neue Stücke entstehen in einem demokratischen Prozess, zu dem jeder seine Puzzleteilchen beiträgt, von kleinen Melodiefetzen bis zum ausgearbeiteten Arrangement, gemeinsam arbeiten die drei daran weiter, jeder auf seinem Instrument. Namen erhalten die Tracks meist erst im Nachhinein, mal englisch, mal deutsch, mal wortspielerische Fantasie. So hat eine Dokumentation über Haie und ihren Geruchssinn Wolter zu «We smell in Stereo» inspiriert, dem Titelstück des grandiosen vierten Studioalbums, auf dem auch das turbulente «Flotjet», das träumerische «Böig» oder das barock angehauchte «Bacheweich» zu hören sind – in Anspielung an den verehrten grossen Komponisten, als Pendant zu«Eberhart», erklärt der 45-Jährige augenzwinkernd.
Jeden Winter in Kalkutta
Während Beate Wein und Aaron Christ aus Musikerfamilien stammen, beschreibt sich Matyas Wolter als Autodidakt und Klangforscher seit seiner Teenagerzeit, der viel im eigenen kleinen Tonstudio experimentierte und schliesslich die indische Musik für sich entdeckte: «Ich beschloss, der Sache vor Ort auf den Grund zu gehen und es richtig zu lernen.» Seit 2004 hat der studierte Musikwissenschaftler nahezu jeden Winter oft mehrere Monate bei seinen Sitar-Meistern in Kalkutta verbracht. Auch im kommenden Februar werde er wieder drei Wochen dort sein, «das Studium der klassischen indischen Raga-Musik ist eine lange Weg». 2007 besuchte ihn Beate Wein, die er kurz zuvor im heimischen Potsdam über Freunde kennengelernt hatte, spontan während eines Indienaufenthalts. «Unser gemeinsamer musikalischer Weg begann als naive Idee, ohne grosse Konzepte: Einfach mal gucken, wie es zusammen klingt, so haben wir die ersten Stücke kreiert.» Kurz darauf stiess Aaron Christ dazu. 2012 erschien das Debütalbum, mit dem Gewinn des «Creole Global Music Contest» 2014 nahm der Erfolg an Fahrt auf. Vor Corona führten bis zu 50 Auftritte im Jahr das Pulsar Trio quer durch Deutschland, auf Festivals im In- und Ausland. Unvergessen bleiben vier Konzerte in Indien, darunter ein gefeierter Auftritt in Wolters zweiter Heimat Kalkutta. Längst hat sich die Zusammenarbeit zur Haupteinnahmequelle der drei Berufsmusiker entwickelt, auch wenn jeder noch eigene Projekte verfolgt.
In typischer Haltung, bestens ausbalanciert im Schneidersitz und barfuss, spielt Matyas Wolter die Sitar im Pulsar Trio auf einem Podest. «Dank der Erhöhung bin ich mit den anderen auf Augenhöhe und kann mit dem Fuss noch die Effektgeräte bedienen.» Hall, Delay und Loop-Station habe er dabei, auch seine Mitspieler setzten verstärkt auf Elektronik. Bei aller Perfektion des Zusammenspiels bleibe stets der Spass an der Improvisation. So gebe es in fast allen Stücken ein, zwei Abschnitte, die ihnen die Freiheit lassen, Neuland zu erobern. Wenn sich die drei auf der Bühne ihre Spielfreude hingeben, hält es auch die Zuhörer oft nicht mehr auf den Stühlen. «Es passiert regelmässig, dass getanzt wird, andere Stücke sind eher kontemplativ», sagt Wolter. So gebe es auch Leute, die sich gerne bewegen und andere, die lieber still sitzen und geniessen. «Was an einem Konzert passiert, lässt sich nicht voraussehen, das ist auch das Spannende an unserem Beruf.»
Ausgerechnet Otelfingen
Dass nun erstmals die Schweiz und ausgerechnet die Mühle Otelfingen auf dem Tourneeplan stehen, ist Daniel Schlüsselberger zu verdanken, seines Zeichens Mitglied im Technikteam der Mühle und ab der Saison 24/25 gemeinsam mit Laurent Walthert Nachfolger von Patrice Gilly als Veranstaltungs-Koordinator. Schlüsselberger nimmt seit einigen Jahren per Skype bei Wolter Unterricht im Sitar-Spiel und nutzte dessen Besuch bei seinen Schweizer Schülern im September 2019, um kurzerhand ein klassisches indisches Raga-Konzert seines Lehrers in der Mühle zu organisieren, das grossen Anklang fand.
Martina KleinsorgWeitere Infos und Hörproben:www.pulsartrio.de, Tickets unterwww.muehleotelfingen.ch