22.03.2024 06:00
MMA-Fighter aus Regensdorfer Schule trainiert für Kampf um «World Title» in Dublin
Grosse Ehre für den während der Corona-Pandemie gegründeten Fight Temple in Regensdorf: Mit dem Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Daniel Konrad (27) wird ein Klubmitglied am 6. April in Dublin um den vakanten Weltergewichts-Welttitel von «Cage Warrior» kämpfen.
Regensdorf. Daniel Konrad wird am 6. April in Dublin gegen einen Lokalmatadoren antreten. Gegner um den sogenannten «World Title» dieses Verbandes im Weltergeiwcht ist Lokalmatador James ‘Jimbo Slice’ Sheehan. Gekämpft wird ¨im Limit bis 77,1 kg über die Maximal-Distanz von fünf Runden à 5 Minuten.
«Jimbo Slice» als Übername, weil Sheehan wie der vor wenigen Jahren verstorbene und durch Youtube-Videos berühmt gewordene «Streetfighter» Kimbo Slice vorab mit harten Händen und aggressivem Vorwärtsgang einen Fight vorzeitig beenden kann. Sheehan weist einen Kampfrekord von 7:3 Siegen auf. Konrads Gegner im Titelfight ist mit 1,88 m fünf Zentimeter grösser als der Kämpfer vom Regensdorfer Fight Temple. «Ich bin der Underdog. Doch dies wird mich anspornen. Ebenso wird mich auch das Publikum motivieren, das gegen mich sein wird», sagt Konrad gegenüber dem «Furttaler».
Ein Kampf im sogenannten Oktagon mit den kleinen Handschuhen kann bei der kleinesten Unaufmerksamkeit schon nach Sekundenbruchteilen beendet sein. Konrads Trainer Edin Zrno kennt die Stärken seines Schützlings: «Daniel ist ein Allrounder und kann einen Kampf auf jede erdenkliche Art entscheiden - sei es es mit den Fäusten, Beinen oder Griff-Techniken.» Der Titelkampf in Dublin wird Konrads bisheriger Karriere-Höhepunkt sein. Gleichzeitig kann der Fight als Sprungbrett für den führenden UFC-Verband dienen, dem weltweit grössten MMA-Veranstalter und Marktführer.
Der in Dielsdorf wohnhafte Konrad hat mit Ausnahme der einzigen Niederlage seine sechs übrigen Kämpfe im «Käfig» allesamt und dazu vorzeitig gewonnen. Der Spitzname von Konrad ist denn auch seiner technisch und taktischen Vielseitigkeit im Angriffs- und Abwehrverhalten geschuldet: «Swiss Army Knife». Den Übernamen «Schweizer Sackmesser» hatte man ihm vor einigen Jahren bei einem mehrmonatigen Auftritt in den USA verpasst. Er fuhr da mit dem Töff von Küste zu Küste und trainierte dazwischen an zahllosen Orten, lernte neue Techniken und Menschen kennen und vertiefte und erweiterte sein Repertoire. Konrad hat schon den einen oder anderen Titelkampf gewonnen und dabei auch Dopingkontrollen absolvieren müssen. Gehirnstrom-Messungen, Blut- und Augenkontrollen erfolgen ebenfalls regelmässig, zumindest aber einmal pro Jahr.
Die «Höllenwoche»
Konrads gewinnendes Auftreten sowie sein Respekt gegenüber Kontrahenten erinnert an das grösste Schweizer Vollkontakt-Kampsport-Idol aller Zeiten, den im Jahr 2000 verstorbenen Andy Hug, der im Vollkontakt-Karate und als Kickboxer (nach der «K1»-Formel in Japan) seinerzeit Legenden-Status erkämpfte. Unvergessen waren die an Abhärtung für den Ernstkampf kaum zu überbietenden Trainings von Andy Hug, der unter anderem mit seinen Schienbeinen auch Baseball-Schläger zertrümmern konnte. Ein Augenschein des «Furttalers» bei Konrads Maximal-Auslastung im Training in Regensdorf fühlte sich vergleichbar unerbittlich hart wie entsprechende Einheiten von Andy Hug an. Oder abgekürzt formuliert: zäh, zäher, Konrad. Der Fighter schuftete wie ein Berserker und fühlte sich selbst «im Überlebensmodus». Er wurde im Sparring bis zur körperlichen wie mentalen Erschöpfung gefordert und seine Leidensfähigkeit maximal ausgelastet. Am dritten aufeinanderfolgenden Tag musste er sich gegen diverse und stets frisch eingewechselte Sparringspartner mit unterschiedlicher Grösse, Gewicht und Kampffertigkeiten erwehren. «Hell Week», nannte es Trainer Zrno. Die «Höllenwoche» ist eine Anspielung auf die anforderungsreichsteAusbildungswoche der amerikanischen Navy Seals, die als härteste militärische Spezialeinheit der Welt gilt. Mit dem Läuten der Glocke kann man sich da der Fortsetzung der fast rastlosen Schinderei entziehen, muss sich aber gleichzeitig von der Ausbildung als Navy Seal verabschieden.
Hohe Verletzungsgefahr
Aufgeben ist aber für Konrad keine Option, auch wenn er auf der Matte am Rande der Erschöpfung gegen seine stets frischen Sparringspartner oft nur noch zu raren Kontern fähig ist, da er gezielt konstant unter Druck gesetzt wird. «Ich frage mich selbst, weshalb ich dies mache», sagt Konrad hinterher. Doch er kennt diese Hochleistungs-Belastungsphase rund drei Wochen vor einem Fight. Diese Zeit ist extrem fordernd und auch verletzungsgefährdend, weil die Reaktionsfähigkeit im Fast-Erschöpfungszustand natürlich nicht mit den frischen und teilweise bis zu 20 kg schwereren Sparringspartnern zu vergleichen ist, die sich im Minutentakt abwechselnd den Hauptkämpfer «vorknöpfen». Wobei darauf geachtet wird, dass das Zweikampf-Geschehen nicht in einen richtigen Kampf ausartet. «Alle in diesem Klub lassen hier ihre Egos aussen vor. Genau das gibt es bei uns nicht», betont Philipp Magni vom Fight Temple. Dennoch muss Konrad im Sparring natürlich einiges wegstecken, ein blaues Auge von einem der Vortage illustriert das Mühsal der Hochtrainings-Phase. Auch nahe an der Erschöpfung ist Konrad im Sparring immer wieder zu guten Reaktionen fähig, imponiert beispielsweise mit Beinfeger-Techniken, die seiner Vergangenheit und Erfahrung als Schwärzgürtel-Träger im brasilianischen Jiu-Jitsu geschuldet ist.
Partnerin ist auch Kampfsportlerin
Konrads im Training anwesende Verlobte betreibt das brasilianische Jiu-Jitsu noch immer intensiv. Und Konrad sagt: «Sie hilft mir, meinen Traum zu leben. Dank ihr kann ich es mir leisten, nur in einem Teilzeitpensum als Servicetechniker zu arbeiten Ansonsten könnte ich diesen Sport nicht auf diesem Level betreiben», betont Konrad, der sich auch um Sponsoren bemüht. «Die Vorurteile gegenüber dem Kampfsport sind aber leider gross.» Für den Titelfight wird Konrad gerade mal 2000 Euro erhalten, im Falle eines Titelgewinns gibt es zusätzlich 500 Euro. Ein Klacks angesichts der Entbehrungen und körperlichen Verausgabung bis fast zum Exzess. «Ich kann zehn Runden locker Boxsparring machen. Aber eine Runde MMA oder Ringen ist für mich einiges fordernder. Da gibt es Phasen, in denen ich mich fast am sterben fühle», sagt Konrad.
Er ist zwar noch nie in seiner Karriere k.o. gegangen. Doch bei seiner einzigen Niederlage bei einem ausgeglichen verlaufenen Fight in den USA war er beim siegbringenden Würgegriff des Gegners fast ohnmächtig geworden. Und die eine oder andere leichte Hirnerschütterung im Sparring trug er schon davon. Zudem musste er sich vor sechs Monaten einer Hüftoperation unterziehen. Doch all diese überwundenen Hürden festigten nur seinen unerschütterlichen Glauben auf dem Weg nach oben. Konrads Leidensfähigkeit und Wille imponieren auch seinem Coach. «Daniel ist aus dem gleichen Holz wie jene geschichtsträchtige eidgenössischer Kämpfer geschnitzt, die seinerzeit in ganz Europa ebenso gefürchtet wie geachtet waren», sagt der aus Bosnien stammende Zrno.
Verordneter Waldspaziergang
Für den Tag zum Ende der Höllenwoche verordnete Zrno seinem Schützling einen Waldspaziergang. Demnächst wird mit reduziertem Training die sogenannte Superkompensation einsetzen. Dadurch wird sich Konrads Energietank langsam aufladen und die im Training erarbeitete Abhärtung entfaltet sich. «Dann werde ich auch wieder Lust aufs Kämpfen bekommen», betont Konrad, der sich beim Gespräch mit dem «Furttaler» mittels Kokoswasser Mineralien zuführt.
Die Gewichtsreduktion sollte kein Problem für ihn sein, da er sich schon jetzt lediglich rund vier Kilogramm über dem Wettkampfgewicht befindet. Bei der finalen Feinabstimmung folgt nun noch die Strategie-Planung bei der Kampfführung inklusive gezielten Simulationen auf die Stärken und etwaigen Schwächen des Gegners bezogen. «Der Ire wird sicher zu Beginn versuchen, die schlagstarken Arme von Daniel müde zu drücken, damit die Arme übersäuern und nicht so gefährlich sind. Doch darauf bereiteten wir uns schon vor», betont Trainer Zrno. Die bis heute anhaltende Lust am Zweikampf weckte übrigens Konrads Bruder, der heute 31-jährige Tobias Konrad. Die beiden Brüder hatten als Kinder oft mit und gegen sich und im Kollegenkreis gerungen und sich auch gerne Action-Filme mit den seinerzeit bekannten Grössen wie Jean-Claude van Damme oder Jackie Chan angeschaut. Mit 15 begann Daniel Konrad dann in einer Kampfsport-Schule in Urdorf mit brasilianischen Jiu-Jitsu.
Der Fight Temple in Regensdorf, in dem Konrad trainiert, ist übrigens keineswegs nur dem starken Geschlecht vorbehalten. «Wir haben sehr viele Frauen, die bei uns trainieren. Auch beispielsweise im Zusammenhang mit der Schwangerschafts-Rückbildung», betont Philipp Magni vom Fight Temple.
Richard Stoffel