Giulia Looser von ihrer Entourage umringt.
30.08.2024 00:05
Ein Fussball-Toptalent aus Buchs
Der FC Buchs-Dällikon darf sich glücklich schätzen und sich stolz fühlen. Denn eines der grössten Schweizer Frauenfussball-Talente mit Jahrgang 2008 entstammt der Junioren-Abteilung des Vereins und ist aktuell Stammspielerin beim NLA-Spitzenteam Grasshoppers.
Die erst 16-jährige Furttalerin Giulia Looser bestritt mit den Grasshoppers die ersten drei Meisterschaftsspiele der noch jungen Saison, ehe sie mit der U17 in ein zehntägiges Trainingslager mit Testspielen in Finnland einrückte. Mit der U17 möchte Looser zwei Qualifikations-Hürden meistern, um mit der Schweizer Auswahl die EM-Endrunde bestreiten zu können.
Schon als noch jüngere Juniorin war die Offensivspielerin Looser so gut, dass sie bis im Alter von 16 Jahren noch mit den männlichen Junioren spielte. Auf die neue Saison hin war ursprünglich Loosers Mitwirken in der U20 der GC-Frauen vorgesehen gewesen. Doch mit ihrer imposanten Entwicklung übersprang Looser diese Zwischenhürde nun vorzeitig.
An den ersten drei Spieltagen der neuen Saison war keine andere NLA-Spielerin jünger als Looser. Für GC spielte Looser zum zweiten Mal und in Folge von Beginn an, als das Meisterschaftsspiel vom 24. August gegen den FC Luzern ausgetragen wurde. Looser vergab dabei das möglich gewesene 5:3 im Finish der Partie. GC geriet da nach einer 4:0-Pausenführung noch ins Zittern, weil es zu passiv wurde. Doch die Zürcherinnen retteten den Sieg am Ende über die Zeit.
Zweites Saisontor knapp verpasst
Looser, die erst kurz vor Schluss ausgewechselt wurde, zeigte eine gute Leistung. Sie überzeugte mit ihrer Ballkontrolle und technischen Fertigkeiten, einem gewaltigen Laufpensum und ihrem Instinkt für den offenen Raum. Kurzum: Looser wirkte enorm abgeklärt für ihr Alter. Nicht verwunderlich, dass sie den Vorwärtsdrang des Teams in einer Rolle als «Nummer 10» selbst als Team-Jüngste mitprägt, also die Offensive hinter den Sturmspitzen mitorchestriert. «Anspielbar hinter den zwei 'Sechsern' sein. Und den Ball möglichst viel in die Tiefe spielen», so umschreibt die Nummer 24 von GC ihren Aufgabenbereich.
Dass sie ihr zweites Saisontor im Finish der Partie so knapp verpasste, ärgerte Looser selbst am meisten. Gegenüber dem «Furttaler» erklärte sie dies unverfälscht und jugendlich-authentisch: «Ich hätte den Ball normal rechts unten hineinschieben sollen wie ich es sonst tue. Doch ich wollte diesmal den Goalie ausdribbeln und den Ball links hineinschieben. Doch da kam eine Gegenspielerin von hinten dazwischen und grätschte den Ball noch weg.»
Nach dem Schlusspfiff wurde keine Spielerin auf dem Platz von einer grösseren Entourage umrahmt als Looser. Familie, Verwandte und (Fussball-)Bekannte beglückwünschten oder herzten sie, darunter auch Frauenfussball-Förderer der ersten Stunde vom Team Furttal. Und auch Giulias Zwillingsbruder Nicola, mit dem sie einst gemeinsam beim FC Buchs-Dällikon das Fussball-ABC erlernte. Da waren die Zwillinge gerade mal 5 Jahre alt. Bis 11 spielte sie bei Buchs-Dällikon bei den Jungs, danach bei GC noch bis im Alter von 16 Jahren weiter bei deren männlichen Junioren. Ihr Bruder Nicola spielt derweil heute im Fanionteam von Buchs-Dällikon (4. Liga) mit.
Das Lob von Erich Vogel
Der unverwüstliche Erich Vogel wirkt aktuell als interimistischer Sportchef bei den GC Frauen. Vogel ist eine streitbare Koryphäe des Schweizer Fussballs und mittlerweile 85-jährig, verfügt aber immer noch über glasklaren Fussball-Sachverstand. Er ist praktisch bei allen Spielen und auch in fast jedem Training des NLA-Frauenteams von GC vor Ort. Von Looser ist er beeindruckt: «Sie ist eines der grössten Talente der Schweiz. Looser verfügt über enorme Spielintelligenz. Dass die Schülerin der United School of Sport jetzt schon so problemlos in der Nationalliga A mithalten kann, sagt schon einiges aus. Von ihr wird man noch vieles hören, da bin ich mir ganz sicher.»
Looser sei topmotiviert, mental stark und zeige enorme Hingabe für den Fussball. Giulia Looser hat sich schon mit Vogel ausgetauscht, oft genügt da aber nur ein nonverbales «Daumen hoch», um der Teenagerin zu signalisieren, dass sie sich auf dem richtigen Weg befindet. Gegenüber dem «Furttaler» will Vogel aber trotz viel Lob auch betont haben: «Giulia wird nicht immer spielen. Junge haben die Tendenz, dass sie verletzungsanfällig werden können, wenn sie müde werden.» Den Sprung ins A-Nationalteam und eine Auslandskarriere sagt Vogel als spätere Karriere-Schritte für die Furttalerin voraus. Die Heim-EM der Frauen 2025 in der Schweiz (WEURO) komme aber sicher noch zu früh für Looser. Unlängst hatte der «Tages-Anzeiger» neun Spielerinnen der nächsten Generation vorgestellt, die im kommenden Jahr an der Endrunde für die Schweiz für Furore sorgen können. Looser befand sich nicht darunter, ist aber auch mindestens zwei Jahre jünger als die vorgestellten «prospects».
Eine Endrunden-Teilnahme an EM oder WM mit 17 oder gar darunter kam auch bei den Männern schon hie und da vor. Zuletzt beispielsweise beim frischgebackenen Europameister Spanien, bei dem Yamal einen Tag vor dem EM-Final gegen England seinen 17. Geburtstag feierte. Im Halbfinal gegen Frankreich war Yamal mit 16 Jahren und 362 Tagen gar als jüngster EM-Torschütze in die Geschichte eingegangen. Und bei den Schweizer Frauen wäre im Vorjahr für die WM-Endrunde in Neuseeland die damals erst 16-jährige Iman Beney aufgeboten worden, wenn sie sich nicht kurz vor der Endrunde verletzt hätte.
Nationaltrainerin über Looser
Bei GC gegen Luzern sass Nationaltrainerin Pia Sundhage auf der Tribüne. Sie sah Looser nun das erste Mal im Klubteam live. «Es war interessant zu beobachten, wie sich mit und ohne Ball bewegt. Man spürte ihre jugendliche Energie. Sie hat vermutlich eine viel versprechende Zukunft vor sich» , beschied Sundhage dem «Furttaler». Die WEURO25 sei indes schon noch ein grosser Schritt, «zumal wir noch andere gute junge Spielerinnen haben, die ziemlich gut sind und einiges versprechen.» Sundhage will damit aber nicht sagen, dass es absolut unmöglich für Looser sei, sich einen Platz im Schweizer EM-Aufgebot zu ergattern. Doch Voraussetzung dazu sei, dass Looser weiter grosse Fortschritte mache und gesund bleibe.
Looser weiss, in welchen Bereichen sie überall ansetzen muss, um eines Tages eine Leistungsträgerin im Schweizer Nationalteam zu sein. «Ich will mich bei den Sprints noch verbessern. Zudem brauche ich jeweils noch 10 bis 15 Minuten, um ins Spiel rein zu kommen.» Auch daran will sie arbeiten und von Beginn weg mehr Präsenz markieren. Und gemessen am letzten Meisterschaftsspiel und ihrer verpassten Top-Chance will Looser, «im Abschluss konsequenter werden».
Looser entledigte sich nach dem Spiel gegen GC während des Gesprächs mit ihren Angehörigen von ihrem am Sport-BH befestigten GPS-Tracker. Die Auswertung der Daten erfolgt durch den Athletik-Trainer von GC. Von ihren Werten weiss Looser beispielsweise, dass sie im vorangegangenen Meisterschaftsspiel beispielsweise über elf Kilometer lief. Zum Vergleich: Der omnipräsente Schweizer Nati-Captain Granit Xhaka lief im ersten Bundesliga-Spiel der neuen Saison für Titelverteidiger Bayer Leverkusen 12,41 Kilometer - das war der drittbeste Wert der gesamten Auftaktrunde.
Looser kennt ihre Wurzeln
«Bei uns werden die Daten in erster Linie im Zusammenhang mit der Regeneration verwendet. Je nachdem, wer wie viel gerannt ist, erhält am Montag einen entsprechend angepassten Trainingsinhalt. Also trainiert eine Spielerin mit grösserem Laufumfang im Spiel zu Wochenbeginn ein bisschen lockerer», erklärt Looser. Weiter gemessen werden unter anderem Rhythmuswechsel oder Höchstgeschwindigkeiten im Kampf um den Ball. Bei aller moderner Messmethodik und Verbesserungsstreben, hat Looser ihreWurzeln nicht vergessen. «Der FC Buchs-Dällikon ist in meinem Herzen und wird es immer bleiben.»
Looser träumt davon, eines Tages als ehemalige Spielerin von Buchs-Dällikon für den grossen FC Barcelona auflaufen zu können. Vielleicht auch über den Zwischenschritt der deutschen Bundesliga. Looser weiss aber, woher sie kommt und was sie ihrer Familie zu verdanken hat. Ihre Mutter Monica Schirmer engagiert sich beim FC Buchs-Dällikon noch heute im Bereich Finanzen/Material. Sie legte ihrer Tochter ein gewisses sportliches Talent in die Wiege. Denn Schirmer hatte es als 400 Meter Läuferin einst ebenfalls an die nationale Spitze geschafft. Richard Stoffel