Fotoausstellung und Podium zum Abschiednehmen
Pfarrerin Silvia Trüssel von der Reformierten Kirchgemeinde Furttal lanciert in der Kirche Regensdorf vom 2. bis 15. Februar eine Foto-Ausstellung unter dem Titel «Handwerk des Abschieds».
Pfarrerin Silvia Trüssel von der Reformierten Kirchgemeinde Furttal lanciert in der Kirche Regensdorf vom 2. bis 15. Februar eine Foto-Ausstellung unter dem Titel «Handwerk des Abschieds».
Regensdorf. Sowohl als Pfarrerin als auch als Fotografin geht es Silvia Trüssel um das genaue Hinschauen und Hinhören, wie sie es selbst bezeichnet. Im Mittelpunkt der Foto-Ausstellung «Handwerk des Abschieds» steht für sie «die Komplexität des Lebens - vom ersten bis zum letzten Atemzug und darüber hinaus.»
Die bald 50-jährige Silvia Trüssel ist seit 2009 in der Landeskirche des Kantons Zürich als Pfarrerin tätig. Seit eineinhalb Jahren wirkt Trüssel in der Kirchgemeinde Furttal. Zunächst war sie stellvertretende Pfarrerin, seit November ist sie gewählte Pfarrerin. Zusätzlich ist Trüssel in systemischer Seelsorge ausgebildet.
Ihre seelsorglichen Anliegen als Pfarrerin verknüpft Trüssel nun mit dieser Ausstellung und ihrer Leidenschaft fürs Fotografieren. Ursprünglich mit dem Fotografieren hatte sie in Afrika begonnen. Und zwar mit Wildnis-Dokumentationen. In Zürich anlässlich der photoSCHWEIZ, die eine der grössten Foto-Ausstellungen der Schweiz ist, hat Trüssel schon zweimal ausgestellt. Zunächst Tierbilder aus Afrika und Reportagefotografien von Hilfsprojekten in Kapstadt. Im letzten Jahr folgten dann Fotos über die Arbeit eines Hutmachers.
Trüssel hofft, das sie die Ausstellung vom Furttal auch an anderen Orten zeigen kann. Sie ist zwecks Weitervermietung für eine jeweils zweiwöchige Übernahme mit mehreren Kirchgemeinden im Gespräch.«Ein wichtiges Anliegen sind mir aber auch die Begleitveranstaltungen dazu», betont Trüssel gegenüber dem «Furttaler». In Regensdorf ist unter anderem vor der Vernissage auch ein Gottesdienst zum Thema geplant.
Ein Artikel über Tonurnen-Herstellung einer Frau, die in dieser Herstellung nach individuellen Wünschen arbeitet, inspirierte Trüssel dazu, andere «Handwerker» im Zusammenhang mit Arbeiten zum und über das Abschiednehmen zu fotografieren. An der Ausstellung werden beispielsweise Bilder von der Arbeit eines Sargmachers gezeigt. «Er hat seine Produktion in meinem Nachbardorf. Da war der Kontakt gleich gegeben. Hinzu suchte ich mir noch einen Bildhauer, der Grabsteine macht. Da wurde ich in Dietikon fündig.» Trüssel dokumentiert die Herstellungsabläufe, darunter fällt beispielsweise die Arbeit eines Roboters beim Sargmacher. Diese Herstellungsart tönt zwar modern, ist beim Sargmacher aber schon vielen Jahren der Alltag. Trüssel fotografierte dazu in der Sargfabrik Lindau. «Es sind sehr viele einfühlsame Menschen, die in diesem Bereich arbeiten», hat Trüssel im Laufe ihrer Foto-Recherchen festgestellt. «Sie wissen, dass es ganz sensible Momente sind. Und sie können mit diesen im Austausch mit Angehörigen umgehen.»
Vielleicht rege die Ausstellung dann ein wenig zum Nachdenken an, auch über den eigenen Tod, denkt Trüssel. In etwa, was man da selbst möchte und was gar nicht infrage kommen soll. Es würden deshalb auch zwei Urnen an der Ausstellung ausgestellt. «Vielleicht fragen sich die Besucher dann, was müsste bei meiner eigenen Urne drauf sein, um mein Leben symbolisch abgebildet zu sehen?» Trüssel würde es begrüssen, wenn die Ausstellung Reflexionen und Gespräche entfacht, gerade auch in Partnerschaften oder mit den Kindern.
Sie selbst verfügt als Seelsorgerin über vielfältige Erfahrungen im Zusammenhang mit der Trauerbewältigung von Hinterbliebenen. «Ausser einem Mord habe ich bei Todesfällen schon alle Arten erlebt.» Seit 2009 und dem Beginn ihrer Tätigkeit als Pfarrerin hat sie rund 15 bis 20 Todesfälle pro Jahr mit Angehörigen und bei der Trauerarbeit begleitet. «Manchmal kommt es vor, dass die Angehörigen nicht wissen, was der Verstorbene überhaupt gewünscht hätte, weil man einfach nicht darüber gesprochen hat.»
Manche hätten einen ausführlichen Lebenslauf vorbereitet. Es gebe aber auch Fälle, in denen keine Angehörigen mehr vorhanden sind oder das Interesse am Verstorbenen aus welchen Gründen auch immer nicht (mehr) vorhanden sei. «Unter Umständen macht man dann keinen Lebenslauf. Aber man versucht dennoch, von diesem Leben Abschied zu nehmen. Dann kann es vorkommen, dass einfach nur der Friedhofsgärtner und ich selbst bei der Beisetzung dabei sind.» Dies sei in vielleicht drei von ihren bislang rund 200 Abdankungen der Fall gewesen. «Manchmal spürt man bei der Vorbereitung einer Abdankung auch gewisse Unstimmigkeiten und man merkt, dass Menschen zusammen kommen, die ansonsten nicht zusammen kommen würden.» Auch unterscheidet sich das Abschiednehmen. Den einen Angehörigen ist dies langsam und gezielter möglich, falls das Ende alters- oder krankheitsbedingt naht.
Unerwartetes Ableben durch Unfall oder Suizid ohne Vorzeichen wiederum können den Hinterbliebenen den Boden wegziehen. Doch in beiden Fällen, so Trüssel, wisse man nicht zum vorn herein, was der Moment des Todesfalls eines nahen Angehörigen dann wirklich mit einen macht - unabhängig der Todesart. Für Trüssel selbst ist die Nachbearbeitung mit den Angehörigen nicht immer mit der Abdankung abgeschlossen. Gleichwohl sei sie keine Therapeutin. «Wenn noch andere Fachleute notwendig sind, vermittle ich dies weiter.» In einem Fall lernte sie eine Hinterbliebene eines Mannes kennen. Beide waren 95, sie waren 80 Jahre lang ein Paar, 75 Jahre davon verheiratet. Die Witwe lebte dann aber doch noch rund drei Jahre weiter. «Der Tod ihres Mannes war eine komplette Überforderung für sie, weil wirklich eine Hälfte von ihr plötzlich fehlte. Doch sie organisierte sich die Hilfe, die sie dann brauchte. Es ist eindrücklich, welche Kraft die Menschen in solchen Extremsituationen entwickeln können», betont Trüssel.
Durch die Betrachtung der Ausstellungs-Bilder soll das Thema Sterben und Abschiednehmen nun für die Besucher greifbar werden. Es kann ein Austausch über persönliche Erfahrungen stattfinden, über die grösseren, existenziellen Fragen des Lebens. Der Gottesdienst vom 2. Februar beginnt um 10 Uhr, die Vernissage steht von 11 bis 13 Uhr im Programm. Die Ausstellung kann man nach der Vernissage bis zum 15. Februar jeweils von 10 bis 17 Uhr in der Kirche Regensdorf besuchen.
Die Ausstellung wird am 10. Februar gleichenorts mit einem Podiumsgespräch umrahmt («Wenn das Leben endet»). Dieses wird von 19.30 bis 21.00 Uhr inklusive einer Fragerunde durchgeführt. Am Podiumsgespräch werden der Bestatter Urs Gerber, die Zivilstandesbeamtin Julia Bonello sowie die Pfarrerin Nadja Boeck teilnehmen. Silvia Trüssel moderiert den Anlass.
Das Ausgangsthema wird dabei lautet: Was geschieht, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Es sollen die praktischen Herausforderungen, die ein Todesfall mit sich bringt, erörtert werden. Es stehen dann auch die konkreten Erfahrungen von Menschen im Mittelpunkt, die in dieser Phase des Abschieds eine wichtige Rolle spielen. Die Podiumsteilnehmer geben Einblicke in ihre Arbeit und sprechen über die organisatorischen Abläufe, die emotionalen Aspekte und die besonderen Momente, die sie in ihrer Tätigkeit begleiten. Sie schildern, wie sie Angehörige unterstützen und welche Erfahrungen sie dabei machen. Der Anlass kann eine Art Orientierungshilfe bieten, was alles im Zusammenhang mit dem Hinschied eines Angehörigen auf einen zukommt.
Richard Stoffel
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