Sabrina Mathis ist für ihre Seidenraupen gerne im Einsatz. Bild: Judith Sacchi
24.10.2025 08:00
Auf dem Margler-Hof sorgen Feinschmecker für Seidenfaden
Bäuerinnen und Bauern haben in der Schweiz mit der Aufzucht von Seidenraupen eine alte Tradition wieder zum Leben erweckt. Bisher als einzige im Kanton Zürich hat sich die Familie Mathis vom Margler-Hof in Watt dieser Aufgabe angenommen.
Watt. Die über 400 Seidenraupen recken ihr Köpfe, als ob sie schauen wollten, wer sie denn nun an diesem Freitagnachmittag besucht. In Wahrheit aber suchen sie einen Ort, um sich in ihrem Kokon einzuspinnen, aus welchem der feinste Faden der Welt entsteht. «Die Raupen befinden sich in der Hormonumstellung, die Zeit, wo es für sie an der Zeit ist, sich einzuspinnen», erklärt Sabrina Mathis vom Watter Margler-Hof. Für sie ist die Raupenzucht noch Neuland. Erst in diesem Frühjahr hat sie aktiv damit begonnen. «Ich bin mal mit einer kleinen Population von 300 Tieren gestartet», erzählt Sabrina Mathis. Für die zweite Aufzucht in diesem Jahr hat sie dann 1500 Eier bekommen. Diese werden aus Padua geliefert und daraus sind etwas über 430 Raupen geschlüpft. Die Schlupfrate sei allgemein bei den Seidenraupenzüchtern in der Schweiz nicht gut gewesen. 15 Bäuerinnen und Bauern aus der Schweiz haben seit 2009 mit der Aufzucht von Seidenraupen einen neuen Betriebszweig unter dem Label swiss silk aufgebaut, bei welchem strenge Produktionsrichtlinien gelten. Im Kanton Zürich ist der Margler-Hof der erste Betrieb, welcher ebenfalls in die Aufzucht eingestiegen ist. «Ich muss noch viel über die Raupen und deren Aufzucht lernen», so Sabrina Mathis, welche mit viel Herzblut für ihre «Sidis», wie sie die Truppe nennt, täglich im Einsatz ist. Denn Seidenraupen sind sehr empfindliche Tiere, welche stark auf Umwelteinflüsse reagieren. So musste eigens für die Aufzucht ein steriler Raum gebaut werden, damit die Raupen in einer Hygienezone leben können. Betreten wird der Raum nur ohne Strassenschuhe und das Desinfektionsmittel für die Hände steht ebenfalls bereit. Die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit müssen genau auf die Raupen abgestimmt sein und die kleinen Feinschmecker fressen ausschliesslich die Blätter des weissen Maulbeerbaumes. Und so wurden auf dem Margler-Hof 200 solcher Bäume gepflanzt. Während der rund 25 Tage dauernden Wachstumsphase der Raupen, werden die Blätter täglich geerntet und über drei bis vier Mahlzeiten am Tag verfüttert. Die Blätter müssen zudem so in etwa der Körperlänge der Raupen angepasst werden und die Tiere legen vom Ausschlüpfen bis zur Verpuppung das 10000-fache ihres Körpergewichtes zu, bis sie rund 4.5 bis 5.5 Gramm wiegen. Und so wird zu Beginn eher geschnippelt als geschnitten. Ab der 4. Häutung sind die Tiere dann in der Lage, sich durch die ganzen Blätter zu fressen. «Das Geräusch, welches dabei entsteht, tönt wie Regentropfen, welche aufs Dach prasseln», meint Sabrina Mathis.
Der Raum, welcher auf dem Margler-Hof erstellt wurde, ist für 25 000 Raupen ausgelegt, denn das ist das Ziel der Familie Mathis. «Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig», lächelt die junge Bäuerin, und so hält sie es auch mit der Seidenraupenzucht. Dieser Bestand würde dann rund 6 Kilo Rohseide ergeben. Die kleinen Raupen sind beeindruckend, schaffen sie doch 600 Meter bis 1,5 Kilometer Seidenfaden mit ihren Kokons zu erstellen. Während Mathis mir die Aufzucht erklärt, trägt sie immer wieder Raupen zum sogenannten «Raupenhotel», wo die Tiere ihre Kokons anlegen, um sich darin einzuspinnen. Einige haben dies bereits getan, andere suchen noch ihren Platz. Nach zehn Tagen werden die Kokons getrocknet. Die sich zu diesem Zeitpunkt darin befindende Puppe wird bei einem späteren Arbeitsschritt, dem Abhaspeln, herausgenommen und als Tierfutter in eine Zoohandlung verkauft, da die Puppen reich an Proteinen sind. Das Abhaspeln, sowie auch alle weiteren Verarbeitungen der Kokons, werden in der swiss silk Manufaktur in Bolligen gemacht. In den Aufzuchtzeiten, welche meist vom Mai bis September dauern, sei es eine sehr arbeitsintensive Zeit, so Mathis, da die Raupen stets genug zu essen haben müssten. Diese Zeit lasse sich aber gut mit anderen Arbeiten auf dem Hof in Einklang bringen, so dass dieser Betriebszweig eine schöne Ergänzung am Hof sei. «Ich habe wirklich sehr viel Freude an den Raupen und will, dass es ihnen in der Zeit, in welcher sie auf dem Hof sind, richtig gut geht, wie auch allen anderen Tieren hier», betont Sabrina Mathis.
Und die Arbeit bei den Raupen sei faszinierend und herausfordernd zugleich, denn diese würden so schnell wachsen, dass man immer sehr aufmerksam sein müsse. Wichtig sei es allen Produzenten von swiss silk, dass auch alle Nebenprodukte der Seide zu 100 Prozent genützt werden können, «wir wollen keinen Abfall produzieren». Und so entstehen neben den bekannten Seidenschals, Portemonnaies oder Brillenetuis, auch Produkte, welche in der Medizin oder Kosmetik gebraucht werden können.
Wer sich für die Seidenraupen interessiert, ist herzlich zu einer Führung während den Aufzuchten eingeladen. Die Tiere können durchs Fenster beobachtet werden und die Interessierten erfahren viel zu den Raupen und auch zu den Maulbeerbäumen. Zudem können sie auch die verschiedenen Produkte anschauen, welche alle im Hofladen zum Verkauf angeboten werden.
Judith Sacchi